In diesem Artikel erfährst du, wie du dein Kind beim Sprechen lernen unterstützen kannst.
Du erfährst, wie dein Kind spielerisch neue Wörter lernt und mit dir bzw. anderen noch besser in Kommunikation treten kann.
Bei allen genannten Vorschlägen möchte ich betonen, dass diese so früh wie möglich zum Einsatz kommen dürfen (z.B. ab 6 Monaten). Bitte habe jedoch im Hinterkopf, dass jedes Kind individuell ist – manche laufen früher, manche später, manche reden viel, manche lange nichts – nichts muss, alles kann. Daher bin ich ein großer Befürworter davon, das Kind ganz ohne Druck an das Thema Sprache heranzuführen.
Für Kinder von 0–2 Jahre
Musik
Was ich für die Entwicklung von Sprache bei Kindern für am bedeutsamsten halte, ist Musik. Dies zeigt nicht nur meine Erfahrung, sondern wird auch von Wissenschaftlern und Experten betont.
Hervorheben möchte ich, dass es sich um kindgerechte Musik in deiner Muttersprache handeln sollte, die möglichst von einer Bezugsperson gesungen wird.
Heavymetal in spanischer Sprache von einem dem Kind fremden Sänger im TV übertragen halte ich persönlich also für weniger kinder-geeignete Musik zum Sprechenlernen ;-).
Wie kannst du Musik zur Sprachförderung in eurem Alltag einsetzen?
Hier ein Beispiel aus meinem Alltag mit Kind:
Mein Kind läuft freudig mit nackten Füßen über die Wiese vor unserer Terrasse.
Ich sage zu meinem Kind:
„ Schau mal, du läufst mit deinen Füßen über das Gras. Wie fühlt sich das Gras an? Kitzelt es dich an deinen Füßen? Macht das Spaß?“
Anschließend singe ich das Volkslied: „Grünes Gras, grünes Gras, unter meinen Füßen. Hab‘ verloren meinen Schatz, werd‘ ihn finden müssen. Such‘ ihn hier, such ihn da,…“.
Von diesem Volkslied findet ihr hier eine – zugegebenermaßen – eher schlechte Version (nur damit ihr wisst, von welchem Lied ich hier spreche).
Lege dir einfach einige Kinderlieder, Volkslieder oder deutschsprachige Lieder, die z.B. im Radio liefen, zu, die du auswendig kannst und die du immer wieder singst, wenn du im Alltag auf etwas hinweisen möchtest, was eine Parallele zu dem jeweiligen Lied hat.
Wann immer du singst, solltest du nicht zu schnell und deutlich singen, wie der bekannte Kinderlied-Komponist Detlev Jöcker in diesem Interview erklärt.
Übrigens: Ich bin kein guter Sänger. Und ja, auch ich komme mir manchmal seltsam vor, wenn ich meinem Kind vorsinge (vor allem in der Öffentlichkeit). Aber viele Kinder lieben es, wenn man ihnen etwas vorsingt und es ist ihnen meist piepegal, wie „gut“ man singen kann! 🙂
Warum ist Musik für den Spracherwerb hilfreich?
Musik geht vielen Kindern „unter die Haut“ und löst Glücksgefühle aus.
Was mit positiven Gefühlen verknüpft ist, bleibt besser im Gedächtnis haften.
Der Neurobiologe Gerald Hüther ist überzeugt: „Musik ist Krafttraining für Kinderhirne“.
(…) Aus neurowissenschaftlicher Sicht spricht alles dafür, dass die nutzloseste Leistung, zu der Menschen befähigt sind – und das ist unzweifelhaft das unbekümmerte, absichtslose Singen – den größten Nutzeffekt für die Entwicklung von Kindergehirnen hat.
Kinder verknüpfen in ihrem Gedächtnis häufig eine Melodie zusammen mit einer Situation und/oder Worten (sehen, fühlen, hören, riechen). Indem du deinem Kind vorsingst, lernt es spielerisch ein Wort mit einem Tier/Gegenstand o.ä. zu verknüpfen.
Musik beinhaltet außerdem häufig Reime und schult somit das Gefühl für Sprache und Rhythmus.
Mit dem Kind von Angesicht zu Angesicht sprechen
Besonders hilfreich ist es, wenn du dich beim Sprechen deinem Kind direkt zuwendest. Sprich am besten in direkter Nähe mit ihm. Beispielsweise, wenn das Kind auf dem Wickeltisch liegt und dein Gesicht frontal über ihm zu sehen ist.
Warum? Kinder lesen – ähnlich wie manche Gehörlose – Worte von den Lippen ab. Dies beobachte ich tagtäglich bei meinem eigenen Kind – es schaut mir konzentriert auf die Lippen, wenn ich mit ihm spreche und formt parallel mit seinen Lippen die Worte nach (lautlos).
„Um sprechen zu lernen, schauen (…) Babys ihren Eltern auf den Mund. Danach blicken sie ihnen wieder in die Augen. Es ist demnach wichtig, mit seinem Kind von Angesicht zu Angesicht zu reden.“
Süddeutsche Zeitung (Quelle)
Zudem haben Studien gezeigt, dass sich echtes Lernen erst dann einstellt, wenn Kinder direkt angesprochen werden.
Umgekehrt bedeutet das auch: Kinder nehmen häufig nicht besonders viel von dem mit, was Erwachsene untereinander (z.B. am Handy) besprechen.
Keine Übergangsworte, sondern Erwachsenensprache
Sprich mit deinem Kind von Anfang mit „richtigen“ Worten und nutze keine Übergangs- oder Verniedlichungsworte, wie „dudu/dudi“ (Schnuller) oder „heia machen“ (sich schlafen legen).
Es ist zwar nicht verwerflich, zu Beginn der Sprachentwicklung mal ein „hast du dir aua gemacht?“ zu sagen. Aber die Frage sollte besser „korrekt“ gestellt oder begleitet werden (hast du dir weh gemacht?/wo tut es dir weh?/hast du dich verletzt?/hast du Schmerzen?).
Trage dein Kind
Ich glaube, dass Kinder, die getragen werden, oft „näher am Geschehen“ sein können und auf diese Weise mehr erleben. Wenn du mit jemandem sprichst, ist dein Kind mit zunehmendem Alter fast auf Augenhöhe von dir. Es kann somit stärker bei der Kommunikation zwischen dir und anderen dabei sein. Du kannst an Tiere, Gehege, Pflanzen u.ä. oftmals näher mit dem Kind herantreten, als es mit einem Kind, das im Kinderwagen sitzt, möglich ist.
Auch Herbert Renz-Polster, ein bekannter Kinderarzt und Buch-Autor, meint:
„Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Tragen von Säuglingen die Entwicklung des Kindes fördern und die Eltern-Kind-Kommunikation unterstützen kann.
Kinder lernen umso besser, je mehr sinnliche Erfahrungen mit der Welt sie sammeln (Quelle findet ihr hier).
Diese “sinnlichen Erfahrungen” sind in einer Tragehilfe/in einem Tragetuch manchmal einfacher umzusetzen.
Wenn du keine Tragehilfe hast oder keine nutzen möchtest, versuche doch mal, das Kind im Kinderwagen zu euch zu drehen. Eine Studie hat gezeigt, dass Eltern mehr mit ihren Kindern kommunizieren, wenn das Kind im Kinderwagen in Richtung der Eltern blickt.
Das Kind nicht korrigieren
Wenn dein Kind etwas falsch ausspricht, korrigiere es nicht.
Anstatt dessen wiederhole liebevoll (nicht kritisierend) auf korrekte Weise, was dein Kind gesagt hat (dies nennt man korrektives Feedback).
Hier einige Beispiele:
Situation 1:
Mein Kind sieht ein Fahrrad und sagt „Auto, da“.
Ich erwidere: „Stimmt, da steht ein Fahrrad. Mit einem Fahrrad kann man fahren, ähnlich wie mit einem Auto“.
Situation 2:
Mein Kind schiebt seinen Teller weg und sagt „leer gesse“.
Ich sage: Du hast alles aufgegessen. Hat es dir geschmeckt?“
Warum ist es wichtig, das Kind nicht zu korrigieren?
Ein (negatives) Korrigieren des Kindes führt oft zum Gegenteil: Das Kind kann sich zurückgewiesen fühlen und sich gegebenenfalls sprachlich sogar eher zurückziehen. (Quelle findet ihr hier)
„Werden die Fehler ständig korrigiert, so werden Sie dem Kind erst bewusst gemacht. Es wird dadurch die Freude am Sprechen verlieren und wird gehemmt, sich sprachlich zu äußern.“
Stell‘ dir einfach vor, du wärst das Kind: Was würde dich mehr ermutigen? Jemand, der dich (mit erhobenem Zeigefinger) korrigiert oder jemand, der dir sanft und ermutigend seine Muttersprache näher bringt?
Einsatz von Gebärden
Ich habe mehrere Monate die sogenannte Babyzeichensprache genutzt, um meinem Kind die Sprache über Gebärden näher zu bringen. Meine Tochter hat allerdings nur sehr wenige Gebärden aktiv benutzt und anstatt dessen von jetzt auf nachher mit dem Sprechen begonnen. Daher hat der Einsatz von Gebärden für uns persönlich nicht viel Nutzen gebracht. Auch die App zur Babyzeichensprache finde ich nicht gelungen (viel zu wenig Begriffe).
Es gibt aber Eltern, die damit sehr gute Erfahrungen gesammelt haben (z.B. hat Katja Seide von Deutschlands größtem Elternblog „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“ die Baby Gebärdensprache für eines ihrer Kinder als sehr hilfreich empfunden).
Auch zugehörige Kurse soll es geben, die ggf. für die Sprachentwicklung eurer Kinder interessant sein könnten.
Dem Kind möglichst viel erklären
Versuche, deinem Kind die Umwelt und möglichst viele alltägliche Gegenstände bzw. Situationen möglichst häufig und detailliert zu beschreiben.
Nimm dir die Zeit, so viele Dinge wie möglich zu erklären.
Das kann z.B. so aussehen:
Wir kommen nachhause, mein Kind zeigt auf unseren Briefkasten und sagt „da“.
Ich antworte: „Das ist ein Briefkasten. In den kann die Post Briefe für uns einwerfen. Lass uns mal nachsehen, ob wir heute Post von Oma Bibi bekommen haben.“
(So besser nicht: Mit „Briefkasten“ oder „Genau da“ antworten. Selbst der Satz „Das ist ein Briefkasten“ dürfte für dein Kind noch zu wenig Erklärungsbedarf beinhalten, denn nun weiß es immer noch nicht genau, was der Sinn und Zweck dieses Dings ist ;-)).
Die Perspektive des Kindes einnehmen
Versuche, öfters mal die Perspektive deines Kindes einzunehmen.
Z.B. indem du dich fragst “wie könnte ich mich fühlen?”. Oder indem du das Essen probierst, das dein Kind verschmäht oder dich flach mit dem Rücken auf den Boden legst, um zu sehen, was dein Kind sieht.
Auf diese Idee brachte mich eine Freundin, die mir kürzlich erzählte, dass ihre Tochter (1 Jahr alt) mehrere Minuten verzweifelt ihrer Mutter versuchte, etwas in “Babysprache” mitzuteilen.
Die Freundin verstand das Kind erst, als sie auf die Knie ging und auf Höhe des Kindes in die Richtung blickte, in die das Kind deutete.
Dort, in einer Ecke, nur aus dem Blickwinkel des Kindes sichtbar, lag der heißgeliebte Schnuller der Tochter :-).
Für Kinder von ca. 11 Monate bis 2 Jahre (ab dem Zeitpunkt, an dem sie laufen und mehr interagieren können)
Kind in den Alltag einbinden
Auch wenn es manchmal anstrengender sein mag: Nimm dein Kind zu möglichst vielen deiner Alltagsaktivitäten mit, z.B. zum Einkaufen.
Erkläre deinem Kind dabei, was du als nächstes tust: „Jetzt laufen wir zum Regal in der Mitte, dort liegen die Bananen“.
Wenn dein Kind schon selbständig laufen kann, kannst du es auch in deine Einkaufsroutine einbinden. Z.B. könntest du sagen “Suchst du bitte mal das Müsli- siehst du es schon? Holst du mir mal die Nudeln aus dem Regal“?
Für den Alltag eignet sich auch hervorragend ein Montessori Lernturm, damit das Kind mit dir zusammen arbeiten kann. Mithilfe des Lernturms nehme ich meine Tochter überall hin mit, seitdem sie laufen kann – in die Küche, zum Händewaschen, zum Wäsche aufhängen,… Auf diese Weise lernt sie spielerisch alltägliche Worte, wie Mehl, Geschirr spülen, Pfannenwender u.ä.
Eine Anleitung für den Lernturm findet ihr z.B. hier oder hier.
Dinge in einen Zusammenhang bringen
Versuche, für dein Kind alltägliche Dinge sprachlich in einen Zusammenhang zu bringen, damit es deren Nutzung und Sinn besser versteht.
Hier einige Beispiele mit meinem Kind:
Situation 1:
Ich koche, während ich mein Kind direkt dabei habe (z.B. in einer Tragehilfe oder auf einem Lernturm).
Dabei sage ich: „Schau mal, hier haben wir Spaghetti. Und hier steht der Topf. Jetzt lege ich die Spaghetti in den Topf, damit wir sie kochen können“.
Situation 2:
Wir sehen ein Kind, das weint.
Ich sage zu Klein J gerichtet: „Schau mal, das Kind weint. Es kullern Tränen über sein Gesicht (dabei zeigst du auf sein Gesicht und ahmst die Tränen nach). Das Kind ist traurig.“
Indem du dein Kind auf Emotionen anderer hinweist, förderst du gleichzeitig das Empathievermögen deines Kindes, was für seine Entwicklung von großer Bedeutung ist.
Mehr dazu kannst du hier nachlesen.
Mit dem Kind aus dessen Perspektive sprechen
Wenn dein Kind mit dir spricht, dann kannst du das, was es dir mitteilt, in „seiner Sprache“ wiederholen.
Einige Beispiele:
Situation 1:
Mein Kind zeigt auf dem Sofa sitzend auf ein Kuscheltier, das auf den Boden gefallen ist und sagt dabei „Couch Affe runter falle“.
Ich erwidere: „ Du sagst: „Mama, der Affe ist vom Sofa auf den Boden gefallen“. Soll ich ihn dir aufheben?“
Situation 2:
Mein Kind heult laut auf, weil ich ihm einen Gegenstand wegnehme. Da ich genau weiß, warum das mein Kind verärgert, sage ich: „Du sagst: „Mama, ich bin enttäuscht, dass du mir das Messer wegnimmst. Es hat mir Spaß gemacht, damit zu spielen. Gib es mir bitte wieder“. Nein mein Schatz, das Messer ist sehr scharf und ich habe Angst, dass du dir weh tust, wenn du es in der Hand hältst. Schau mal, du kannst dieses Messer (Anmerkung: kindergeeignetes, stumpfes Spielmesser) hier benutzen.“
Einsatz von Büchern
Das ist eigentlich der Klassiker unter den Sprachentwicklungsmethoden: Du kannst Bücher nutzen, um deinem Kind auf spielerische Art und Weise Begriffe und Wörter näher zu bringen.
Eine Zeit lang habe ich z.B. Bücher mit Tierbildern mit in den Zoo genommen. Wenn wir einen Tiger im Gehege gesehen haben, habe ich auf das entsprechende Bild im Buch gezeigt und dazu gesagt „Das ist ein Tiger“.
Du findest sicher noch andere Möglichkeiten, wie man Sprache über Bücher transportieren kann (ganz abgesehen vom Vorlesen und gemeinsamen Bücher anschauen).
Kindgerecht sprechen und richtig zuhören
Versuche mit deinem Kind zu sprechen, als würdest du mit einem älteren Kind oder einem Erwachsenen sprechen, der deine Muttersprache nicht beherrscht. Das bedeutet:
„Achten Sie darauf, dass Sie alle Worte klar und deutlich aussprechen. Sprechen Sie langsam (…). Verwenden Sie häufig gebrauchte Wörter und sprechen Sie in einfachen, aber korrekten und vollständigen Sätzen.“
Julia Oehmen, Team der Logopädischen Praxis Julia Oehmen
Wichtig ist, dass du auch deinem Kind richtig zuhörst, wenn es mit dir kommuniziert und Rückfragen stellst (auch wenn dein Kind noch nicht antworten kann und du dir dabei vielleicht komisch vorkommst).
Reduziere das Fernsehen
Es gibt Belege dafür, dass häufiges Fernsehen (besonders von Sendungen mit schlechtem Sprachgebrauch, wie z.B. den Tele Tubbies) die Sprachentwicklung von Kindern nicht fördert, sondern sogar behindern kann. Denn oftmals spricht das Kind während des Fernsehens nicht (es hat also weniger Möglichkeiten seine Sprache zu nutzen). Und es kann sich schnell daran gewöhnen, sich berieseln zu lassen. (Quellen hier und hier)
Begleitung der Sprachentwicklung
Insgesamt habe ich mich bei der Begleitung der Sprachentwicklung stark an die Herangehensweise von Katja Seide alias Snowqueen vom „Gewünschtesten Wunschkind“ angelehnt, die hier beschrieben wird. Allerdings haben wir die Babygebärden dabei zum großen Teil weggelassen und nur die Grundidee zur Kommunikation mit dem Kind übernommen.
Quellen:
https://www.kisp.de/medium-musik/
http://www.win-future.de/downloads/lernenprofdrhuetherclaudiahaase.pdf
https://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Besser-lernen-ohne-Babysprache-id28823367.html