In diesem Artikel beschreibe ich dir, warum mein Kind im ersten Babyjahr keine bzw. kaum Kuhmilch und nur wenige Milchprodukte bekam und welche gängigen Richtlinien es gibt.
Die kontroverse Diskussion um die Gesundheit von Kuhmilch
Zuerst möchte ich vorweg nehmen: Es gibt widersprüchliche Empfehlungen zur Gabe von Milchprodukten für Säuglinge und Kleinkinder und einen regelrecht kontroversen Diskurs über die Gesundheit von Milch und Milchprodukten.
Ich habe sowohl seriöse Quellen bzw. Studien gefunden, die die positiven Eigenschaften der Kuhmilch belegen, als auch seriöse wissenschaftliche Belege dafür, dass Kuhmilch alles anderes als gesund ist.
Da sich die Empfehlungen hinsichtlich der Aufnahme von Milchprodukten regelmäßig ändern, muss zu dem Thema auch weiterhin geforscht werden.
Nichtsdestotrotz beschreibe ich euch in diesem Artikel , welche Empfehlungen es zur Gabe von Milch und Milchprodukten für Kinder gibt.
Danach gehe ich darauf ein, wie ich es persönlich mit unserem Kind handhabe und warum.
Wie immer handelt es sich in diesem Artikel überwiegend um meine Meinung – jede Mutter macht es nach bestem Wissen und Gewissen so, wie sie es für richtig hält.
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (dge): Contra Milchprodukte
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (kurz dge) empfiehlt, Kindern im ersten Lebensjahr möglichst keine Milchprodukte zu geben. Unter Milchprodukten versteht die dge Trinkmilch (=Kuhmilch), Käse, Quark, Joghurt und andere Milchprodukte.
Gründe
Begründet wird der Verzicht damit, dass Milchprodukte …
- einen hohen Protein- (d.h. Eiweiß)- und Mineralstoffgehalt
- sowie einen zu geringen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Eisen und Jod haben und
- die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln (Nicht-Hamäsein genannt) behindern
Eine hohe Einnahme von Milchprodukten hätte zudem den Nachteil, dass durch das in Milchprodukten enthaltene Eiweiß…
- die Nieren belastet werden
- die Insulinausschüttung angeregt werden kann und damit
- möglicherweise das Risiko für die Entwicklung einer Fettleibigkeit (Adipositas) erhöht wird
„Mit 46 mosm/100 kcal ist die potenzielle renale Molenlast der Kuhmilch (Anmerkung: darunter versteht man das Angebot an Substanzen, die über die Niere ausgescheidet werden) mehr als 3‑mal so hoch wie bei Muttermilch mit 14 mosm/100 kcal und ungefähr doppelt so hoch wie bei üblichen Beikostprodukten mit 23 mosm/100 kcal und Säuglingsmilchnahrungen mit 2039 mosm/100 kcal. Folglich würde für eine ausgeglichene Wasserbilanz eine höhere Flüssigkeitszufuhr erforderlich werden.“
Was heißt das übersetzt?
Wenn ein Kind (viele) Milchprodukte isst, muss es folglich mehr Flüssigkeit zu sich nehmen, da sonst der Wasserhaushalt beim Kind gestört ist.
Habt ihr schon mal festgestellt, dass ihr Durst bekommt, nachdem ihr ein Käsebrot oder einen Fruchtjoghurt gegessen habt? Das liegt nicht nur am enthaltenen Zucker- und Salzgehalt, sondern auch am enthaltenen Eiweiß (Protein).
Besondere Ernährung beim Säugling und Kleinkind
Laut der dge ist für ein Kind – insbesondere im 1. Lebensjahr – eine besondere Ernährung erforderlich. Warum? Kinder unter einem Jahr besitzen laut der dge ein noch nicht vollständig ausgereiftes Verdauungs‑, Stoffwechsel- und Ausscheidungssystem sowie ein noch unreifes Immunsystem.
Auch im 2. Lebensjahr empfiehlt die dge, Milchprodukte eher zurückhaltend zu konsumieren (aber nicht gänzlich zu meiden).
Die dge ist übrigens ein Verein, der zu etwa 70 Prozent von Bund und Ländern über öffentliche Mittel finanziert wird. In meinen Augen ist die dge somit eine seriöse Quelle.
Empfehlungen des Bundeszentrum für Ernährung: 200/300 ml Milch am Tag
Das Bundeszentrum für Ernährung empfiehlt für Kinder im ersten Lebensjahr Kuhmilch nur im Abendbrei (200 ml) zu verabreichen.
„Frühestens zum Ende des ersten Lebensjahres gibt es kleine Mengen Kuhmilch als Getränk, als Bestandteil einer Brotmahlzeit morgens zum Frühstück oder abends, sofern die Kinder aus einer ganz normalen Tasse oder einem Becher trinken können. Bis dahin sind Muttermilch oder eine industrielle Säuglingsmilch für die Kinder optimal. Beide entsprechen in ihrer Nährstoffzusammensetzung und im Energiegehalt am besten den Bedürfnissen der Babys.“
Kleinkinder über einem Jahr sollten max. 300 ml Milch bzw. Milchprodukte trinken, verteilt auf drei Portionen am Tag.
Eine dauerhafte Überschreitung von 300 ml am Tag wird nicht empfohlen, da sonst die Nieren stark belastet werden.
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR): Ca. 200 ml Milch am Tag
Die Empfehlungen des Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) sind ähnlich denen der dge.
Das MLR hat die Initiative „Landesinitiative Bewusste Kinderernährung“ ins Leben gerufen und die Grundgedanken in einer Broschüre veröffentlicht.
Die Empfehlungen lauten für Kinder unter einem Jahr:
Im Fläschchen sollte das Kind im ersten Lebensjahr nur Säuglingsnahrung und keine Kuhmilch bekommen.
Im Rahmen der Beikosteinführung – und nicht eher — sollte ein Baby (am besten zum Abendbrei) Kuhmilch bekommen. Empfohlen werden maximal 200 ml Milch pro Tag.
Milch wird nur in Kombination mit Getreide empfohlen, sie soll nicht einzeln (z.B. in einem Glas) getrunken werden.
Gründe:
- Der hohe Eiweiß- und Mineralstoffgehalt von Milchprodukten belastet die Nieren und den Stoffwechsel.
- Von mehr als 200 ml Milch oder Milchprodukten wird im ersten Jahr abgeraten
, mit der Begründung, dass der Stoffwechsel erst reif genug ist, wenn das Kind älter als ein Jahr ist.
- In der Broschüre wird empfohlen, dass Mittagessen und Getreide-Obst-Gläschen für Kinder unter einem Jahr ohne Milch bzw. Milchprodukte wie Sahne, Joghurt oder Quark zubereitet sein sollten, mit der Begründung, dass Milch die Eisenaufnahme hemmt.
Ab einem Jahr können es laut dem MLR auch mehr als 200 ml Milchprodukte sein, wobei ein mäßiger Verzehr von Milchprodukten empfohlen wird. Genauere Angaben dazu, was unter „mäßig“ zu verstehen ist, werden nicht gemacht.
„Vollmilch (3,5–3,8 %) liefert Kalzium, wertvolles Eiweiß, Jod und mehr fettlösliche Vitamine als Milch mit niedrigerem Fettgehalt. Gut geeignet sind pasteurisierte, „länger frische“ oder H‑Milch, am besten aus der Region oder von Biobetrieben. Roh- oder Vorzugsmilch sollten Sie wegen der mikrobiellen Gefahren nicht verwenden.“
Empfehlungen von Heilpraktikern: Contra Milchprodukte
Interessanterweise empfehlen die meisten Heilpraktiker laut meiner Recherche einen Verzicht auf Milchprodukte – auch für Erwachsene.
Gründe
- Milch sollte aus „Eigenproduktion“ stammen und unter den jungen Lebewesen derselben Art gereicht werden. Das bedeutet:
Ein Kalb soll Kuhmilch bekommen, der Mensch soll Muttermilch bekommen. Kuhmilch ist für den Menschen nicht gesund.
- Milch führt zu Übersäuerung und einem Mineralmangel
- Milch fördert die Schleimbildung und somit viele damit verbundene Krankheiten (z.B. häufig wiederkehrende Mittelohrentzündungen und Erkältungen, Magen- und Darmbeschwerden, Asthma, Bronchitis, Heuschnupfen, Neurodermitis)
- Kuhmilch enthält hohe Mengen an Östrogen und Progesteron, die das Brust‑, Ovarial- und Gebärmutterkrebsrisiko signifikant erhöhen
Da ich drei Familien kenne, die mit einer Behandlung durch den Heilpraktiker sehr gute und nachhaltige Ergebnisse bei sämtlichen Familienmitgliedern erzielt haben, ist es mir wichtig, auch die Sichtweise dieser alternativen Medizin aufzuzeigen.
Calcium als unschlagbarer Vorteil von Kuhmilch?
An vielen Stellen bei meiner Recherche habe ich gelesen, dass Kuhmilch und Milchprodukte die Hauptquellen für Calcium sind. Z.B. hier.
Das ist richtig. Aber bei der Diskussion wird oft vergessen, dass sich andere Lebensmittel ebenso gut für die Calciumaufnahme eignen, wie Kuhmilch.
Wer auf Milchprodukte verzichtet, kann seinen Calciumbedarf ebenso gut über andere Lebensmittel, wie z.B. Grünkohl, Brokkoli, Mandeln, Sesam und calciumreiches Mineralwasser decken.
Beim Mineralwasser achtet ihr am besten auf einen Gehalt von über 150 mg/l.
Achtet auch darauf, die Calciumlieferanten (z.B. Käse) nicht zusammen mit Oxalat- und phytinsäurehaltigen Lebensmitteln zu kombinieren. Dazu gehören beispielsweise Mangold, Spinat, Spargel, Rhabarber und Vollkornprodukte. Phosphor ist im Körper ein Gegenspieler von Calcium und wirkt sich, in größerer Menge eingenommen, negativ auf die Knochen aus. Deshalb solltet ihr eurem Kind möglichst wenig phosphatreiche Lebensmittel, wie z.B. Wurst, Schmelzkäse oder Fertiggerichte geben.
Übersicht Calciumgehalt von Gemüse
Gemüse | mg / Kalzium |
1 Portion Kohlrabi 200g | 136 |
1 Portion Grünkohl 200g | 424 |
1 Portion Brokkoli 200g | 170 |
1 Portion Lauch 200g | 126 |
1 Portion Gartenkresse 70g | 161 |
1 Portion Grüne Bohnen 200g | 112 |
1 Portion Ruccola 75g | 120 |
Zusammenhang zwischen Kuhmilch und Diabetes Typ 1
Bei meiner Recherche habe ich an mehreren Stellen gelesen, dass Kuhmilch die Entwicklung eines Typ 1 Diabetes begünstigen kann, u.a. hier erwähnt.
Jedoch habe ich eine neuere Studie mit einer signifikanten Fallzahl gefunden, die dies widerlegt. Ich denke, auch hier muss weiter geforscht werden, um eindeutige Ergebnisse zu liefern.
Wie ich es mit meinem Kind handhabe
Grundsätzlich orientiere ich mich an den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Ernährung:
Kinder von 4 bis 12 Monaten sollen demnach max. 1,3 g Eiweiß/kg Körpergewicht/Tag erhalten.
Kinder zwischen einem und vier Jahren sollen max. 1,0 g Eiweiß/kg Körpergewicht/Tag zu sich nehmen (also weniger als ein Säugling!).
Das heißt für mein Kind (aktuell 1,5 Jahre alt, 9 kg Körpergewicht):
Max. 9g Eiweiß am Tag.
Dies sind beispielhaft für einen Tag etwa:
- Eine Portion Babybel (=1 Stück) = 4,4g Eiweiß
- 2 Teelöffel Joghurt ( im Müsli) = 1,2g Eiweiß
- Frischkäse (auf dem Brot) = 1,0g Eiweiß
- 1–2 Teelöffel Emmentaler (über die Spaghetti) = 2g Eiweiß
Darüber hinaus habe ich mich für einen Mittelweg entschieden:
Ich habe im ersten Jahr wenige Milchprodukte gegeben. Klein J bekam beispielsweise Brot mit Frischkäse (dünn aufgetragen), Naturjoghurt oder Käse, aber selten und erst ab dem 10. Monat. Kuhmilch bekam sie nicht roh bzw. nicht pur (z.B. im Glas) und auch nur sehr, sehr selten im Brei (nur vom Papa, wenn dieser auf Klein J aufgepasst hat ;-)).
Da Klein J zwischen dem 6. bis 12. Monat noch sehr häufig gestillt wurde, habe ich manchmal Muttermilch zum Anrühren des Getreidebreis benutzt (auf Empfehlung meiner Hebamme).
Klingt komisch, richtig? Es hat ihr aber geschmeckt.
Seitdem sie ein Jahr alt ist, bekommt sie morgens, mittags und abends Milchprodukte, jedoch keine pure Kuhmilch im Glas, auch nicht im Brei.
Wir ersetzen Milchprodukte regelmäßig durch milchfreie Lebensmittel, um zu variieren. Diese sind z.B.:
- etwas Hafermilch sowie warmes Wasser anstatt Joghurt im Müsli
- Frische Avocado anstatt Frischkäse auf dem Brot
- Mandelmus anstatt Käse auf dem Brot
Ich achte bei Milchprodukten darauf, dass es möglichst Bioprodukte sind (weil der Großteil der Milchprodukte in Tests in der Regel besser abschneidet, als konventionelle Produkte) und von Stiftung Warentest und/oder Ökotest mit „gut“ oder „sehr gut“ bewertet wurden.
Hier einige Testsieger:
- Aldi Süd Bio Frische Vollmilch sowie Arla Bio Milch (Stiftung Warentest)
- Andechser Natur Bio-Joghurt Mild sowie Rewe Bio Joghurt Mild (Ökotest)
- Edeka Gut&Günstig Butter sowie Rewe Bio Butter (Stiftung Warentest)
Grundsätzlich achte ich darauf, meinem Kind eine möglichst abwechslungsreiche Kost zu bieten. Sie bekommt einen ausgewogenen Mix aus Milchprodukten, Fleisch, Fisch, aber auch einen hohen Anteil an veganen Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Couscous,…). Ich denke, mit einem gesunden Mittelmaß ist man meistens auf der richtigen Seite ;-).
Quellen:
https://www.tz.de/muenchen/gastronomie/stiftung-warentest-milch-getestet-8722387.html
https://www.kochbar.de/cms/oeko-test-prueft-naturjoghurt-sieben-produkte-sind-sehr-gut-2226468.html
https://www.augsburger-allgemeine.de/geld-leben/Test-Auch-billige-Butter-ist-gut-id50698281.html
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/saeuglinge/milch-fuer-die-saeuglingsernaehrung/
https://www.bzfe.de/forum/index.php/forum/showExpMessage/id/45321/page1/19/searchstring/+/forumId/8
http://www.ernaehrung-bw.info/pb/,Lde/Startseite/Empfehlungen/Milch+und+Milchprodukte+fuer+kleine+Kinder
https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m‑mlr/intern/dateien/PDFs/Essen_und_Trinken/Von_Anfang_an_mit_Lesezeichenfenster_WEB_2.pdf
https://www.bzfe.de/forum/index.php/forum/showExpMessage/id/42216/searchstring/Milch/page1/33/forumId/+/datumvon/+/datumbis/+/searchpattern/1/searchconcat/1
https://www.bzfe.de/forum/index.php/forum/showExpMessage/id/47635/searchstring/milch/page1/1/forumId/8/datumvon/+/datumbis/+/searchpattern/1/searchconcat/1
https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/1406_EK_Empfehlungen_Erna%C3%8C%CB%86hrunggesunder_Sa%C3%8C%CB%86uglinge.pdf
https://www.provegan.info/de/infothek/aktuelles/kleine-zusammenfassung-der-gesundheitlichen-schaedigungen-durch-milchprodukte-aktualisierte-fassung/
https://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2013/02/milch-und-milchprodukte-ab-wann-und.html
https://www.test.de/Test-Milch-1590601–0/
https://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/01/Milch.xml
https://www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/200901/die-milch-machts-wirklich/
https://www.oekotest.de/essen-trinken/29-Milchprodukte-im-Test_102889_1.html
https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/diabetes/article/863202/typ-1-diabetes-freispruch-kuhmilch.html
https://deutsch.medscape.com/artikel/4902383
https://www.ugb.de/calciummangel/calciumbedarf-calciummangel-calciumpraeparate/
https://www.codecheck.info/news/Ganz-ohne-Milch-So-deckst-Du-Deinen-Calcium-Bedarf-243211
https://www.ptaheute.de/fileadmin/user_upload/Hz_Calciumversorgung.pdf
http://www.schluesselbad-klinik.de/Portaldata/23/Resources/dokumente/meldungen/Uebersicht__Calciumgehalt_von_Lebensmittel.pdf